Nichtraucherschutz: ÖVP-Landespolitiker kokettiert mit Plebiszit

13. Dezember 2017, 18:09

Von der Volksbefragung bis zum Volksbegehren: Im Streit um das Aus für das absolute Rauchverbot in der Gastronomie wird die Bevölkerung ins Spiel gebracht – auch von ÖVP-Seite. Für politischen Druck sorgt eine Online-Petition der Krebshilfe.

Wien – Mehr als 190.000 Personen haben bis Mittwochnachmittag die Nichtraucherpetition der Österreichischen Krebshilfe unterzeichnet. Ihr Ziel: das von ÖVP und FPÖ bei den Koalitionsverhandlungen paktierte Aus für ein striktes Rauchverbot in der Gas tronomie ab Mai zu verhindern.

Die SPÖ – ebenfalls Gegner der Rücknahme – greift die Aktion bereitwillig auf. Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) will die Unterschriftenliste in den Petitionsausschuss des Nationalrats bringen. Bei den Beratungen könnten Experten zugezogen werden – eine rechtliche Bindung entstehe nicht, politischer Druck könne erzeugt werden.

Der Erfolg der Petition treibt auch Parteichef Christian Kern an. So langsam werde auch er zum Fan der direkten Demokratie, sagte er bei der Parlamentssitzung am Mittwoch. Und in Richtung ÖVP und FPÖ: "Ich bin überzeugt, das ist eines der ersten Volksbegehren, das Sie ernten werden."

Salzburger VP-Vorstoß

In Salzburg steuern die Parteifreunde von ÖVP-Chef Sebastian Kurz bereits in diese Richtung. Landeshauptmann-Stellvertreter Christian Stöckl legt im Gespräch mit dem STANDARD in seiner Kritik am türkis-blauen Vorhaben nach. Er findet: "Es wäre eine Möglichkeit, den Nichtraucherschutz dem Instrument der direkten Demokratie zu unterstellen." Immerhin dränge ja die FPÖ auf einen Ausbau der direkten Demokratie. Er denke dabei an eine Volksbefragung.

Auch die Neos könnten sich gut vorstellen, eine Initiative aus der Bevölkerung zu unterstützen, sagt deren Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Das Thema sei durchaus für eine Volksbefragung- oder -abstimmung geeignet, Bayern habe die Entscheidung auch in dieser Form getroffen.

Vom Feuer der ersten kritischen ÖVP-Landespolitiker blieb am Mittwoch wenig übrig. Der Vorarlberger Gesundheitslandesrat Christian Bernhard hält zwar an seiner Kritik an der Lockerung des Nichtraucherschutzes fest, findet aber: "Jetzt soll man einmal die Regierung antreten lassen." Aus Landessicht bedeute der Plan von ÖVP und FPÖ, "dass man noch mehr in Prävention investieren wird müssen". Auch der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter kritisiert das geplante Vorhaben. Er stehe für einen "restriktiven Nichtraucherschutz". An eine Volksbefragung will er nicht denken: "Diese Frage hat sich bei uns noch nicht so gestellt." Und in Oberösterreich wird lapidar festgehalten, dass bei den Verhandlungen die Entscheidung gefallen sei und man dies respektiere.

FPÖ ist bereit

Aber wie reagieren die Koalitionsverhandler, die das Aus für das Rauchverbot eben erst verkündet haben? Gerüchten zufolge soll ÖVP-Chef Kurz von der Heftigkeit der Kritik aus den eigenen_Reihen überrascht gewesen sein. Das Krisenmanagement scheint aber zu funktionieren. Harald Stefan, der für die FPÖ das Thema "direkte Demokratie" verhandelt, erklärt wiederum auf STANDARD-Nachfrage: "Sobald ein Volksbegehren zu dem Thema eingebracht wird, kann es eine Volksabstimmung dazu geben", aber das Parlament solle diese nicht verordnen. Dass damit der türkis-blaue Plan, das Rauchverbot auszudämpfen, überstimmt werden könnte, nimmt er sportlich: "Das ist lästig für Regierende, aber das müssten sie akzeptieren."

Ein Plebiszit ist nicht die einige Option, um das türkis-blaue Vorhaben doch noch zu stoppen. Landesregierungen können von sich aus Bundesgesetze beim Verfassungsgerichtshof bekämpfen. Wie berichtet überlegt etwa Wien einen solchen Schritt. "Man müsste in diesem_Fall die Neuregelung, die das Inkrafttreten des absoluten Rauchverbots verhindert, bekämpfen", erklärt Verfassungsjurist Heinz Mayer. Möglich wäre auch eine Höchstgerichtsklage durch den Bundesrat – Grüne und SPÖ stellen das dafür erforderliche Drittel der Abgeordneten. "Selbst wenn das geschieht, sehe ich wenig Chancen auf Erfolg", sagt Daniel Ennöckl vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien. Schließlich werde ja nur die seit längerem bestehende Regelung weitergeführt. Und es stehe auch jedem Gastronomen frei, ein reines Nichtraucherlokal zu führen. "Es gibt keinen Eingriff in die Grundrechte der Gastronomen, die Adressat des Gesetzes sind", sagt der Jurist.

"Großes Zeichen"

Bei der Krebshilfe ist man über den Erfolg der eigenen Petition überrascht. "Es ist ein großes Zeichen aus der Bevölkerung", sagt Geschäftsführerin Martina Löwe. Unterschriften werden noch bis zur Angelobung der Regierung gesammelt. "Vielleicht reicht es, wenn die Petition im Nationalrat behandelt wird", sagt sie. Wenn nicht, hält man sich die Möglichkeit, ein Volksbegehren zu starten, offen: "Wenn das möglich ist, kann es auch das sein."

Zur Erinnerung: Der Untersuchungsausschuss zur Kärntner Katastrophenbank Hypo etwa wurde einst durch Petitionen via Parlamentshomepage initiiert. Auch die FPÖ hat auf einer Plattform übrigens eine Petition zum Thema Rauchen laufen. Die Tiroler Gruppe sammelte für ihr "Nein zum absoluten Rauchverbot". Bisheriger Stand: rund 530 Unterstützer. (Marie-Theres Egyed, Peter Mayr, Karin Riss, Nina Weißensteiner, 13.12.2017)