Nach einer turbulenten Unternehmensgeschichte ist Toni's Freilandeier insolvent. Das Schicksal von 50 Millionen Eiern steht auf dem Spiel
Glein/Wien – Etwa 50 Millionen Freilandeier von 220.000 Freilandhennen werden jährlich unter der Marke Toni's Freilandeier an den Einzelhandel geliefert. Ob das auch künftig passiert, bleibt an dieser Stelle noch offen. Denn am Dienstag hat das Unternehmen aus Knittelfeld jedenfalls Insolvenz beim Landesgericht Leoben angemeldet. Das Verfahren ist bereits eröffnet. Laut den Gläubigerschutzverbänden KSV 1870, AKV und Creditreform ist Toni's Handels GmbH mit knapp rund zehn Millionen Euro verschuldet. Das entspricht beinahe dem Jahresumsatz des Unternehmens.
Rund 100 Gläubiger und 38 Arbeitnehmer, davon 14 Angestellte und 24 Arbeiter, sind betroffen. Die Insolvenzursachen liegen offenbar in einer gescheiterten Betriebsübernahme und Umsatzeinbußen. Eine außergerichtliche Sanierung ist gescheitert. Geschlossen soll die von Toni Hubmann im Jahr 1988 gegründete Firma vorerst aber nicht werden, an einem Sanierungsplan werde gearbeitet, heißt es bei Creditreform. Beim Unternehmen selbst wollte man auf Anfrage des Standard keine Stellungnahme abgeben.
Kaum Informationen
Viele Informationen über weitere Schritte geben auch die anderen beteiligten Parteien nicht preis. Warten auf die Entscheidung des Masseverwalters, zu dem der Leobener Rechtsanwalt Helmut Fetz bestellt wurde, so lautet die Devise.
"Die Lieferungen sollen während der kommenden Tage, vielleicht sogar Wochen, aufrechterhalten werden", sagt Billa-Sprecher Paul Pöttschacher. Das ist für die rund 100 Hühnerfarmen, die Hubmann beliefern, essenziell. Sollten Toni's Freilandeier aber total wegfallen, werde man mit anderen Lieferanten eine Lösung finden müssen, sagt man bei Billa. Denn die Hühner hörten wegen einer Insolvenz wohl nicht auf, Eier zu legen.
Kritik an Handel und Banken
Harte Kritik am Handel übt ein Landwirt aus dem Murtal, der namentlich nicht genannt werden möchte. Er spricht von teilweise mafiösen Strukturen: "Der Handel erpresst Lieferanten mit kaum zu erfüllenden Konditionen. Wer nicht spurt, wird ausgewechselt." Er selbst liefere monatlich rund 50.000 Eier an Hubmann.
Ähnlich frustriert zeigt sich der Landwirt vom Verhalten der involvierten Banken. "Es werden Zinssätze von alten Kreditverträgen verlangt, die in der heutigen Zeit weder realistisch noch bezahlbar sind. Das musste ja so kommen." Wie es für ihn jetzt weitergeht, kann er nicht abschätzen. Die ganze Situation sei neu, und er warte – ebenso wie alle anderen – auf die Entscheidungen des Masseverwalters. Diese Ungewissheit lässt deutlich erkennbare Unsicherheit in seiner Stimme mitschwingen.
Branche in Aufruhr
Am Dienstagabend konnte der Masseverwalter noch nichts Konkretes über die Situation sagen. Am Mittwoch führe er Gespräche mit allen Schuldner- und Gläubigervertretern, dann könne er weitere Schritte abwägen.
"Toni's Freilandeier ist eine der bekanntesten Eiermarken in ganz Österreich, deshalb empfinde ich diese Situation als katastrophal", meint Benjamin Guggenberger, Geschäftsführer der Österreichischen Frischeier-Erzeugungsgemeinschaft. Toni betrieb fünf eigene Freilandställe für Biohühner, rund 100 Betriebe liefern zu, der Großteil davon kleine Familienbetriebe. Darin sieht Guggenberger ein Problem für die Zukunft: "Diese klein strukturierte Erzeugerlandschaft wieder in ein wirtschaftliches Korsett zu bringen und die Logistik zu organisieren wird für jeden Nachfolger eine Herausforderung. Ich fürchte, das werden viele Betriebe nicht überstehen." (Andreas Danzer, 12.12.2017)
Nachlese
Rückruf von Toni's Freilandeiern wegen Salmonellenverdachts
Chronologie:
1988: Toni Hubmann gründet das Unternehmen "Toni's Handel" in Knittelfeld. Zusammen mit bäuerlichen Partnerbetrieben verkauft er die Eier unter der Marke "Toni's Freilandeier" und preist vor allem eine besonders artgerechte Tierhaltung an.
2006: Nach dem Ausbruch der Vogelgrippe wird eine Stallpflicht für österreichische Hühnerbetriebe beschlossen. Hubmann lässt seine Hühner aber schon früher wieder laufen und muss eine Geldbuße von 2500 Euro zahlen.
2011: Hubmann ist wieder im Visier der Ermittler. Vier ehemalige Mitarbeiter seines Unternehmens werfen ihm vor, bei den Eiern geschummelt zu haben. Diese seien als frische Eier verkauft worden, obwohl sie schon seit einiger Zeit im Kühllager gelegen hätten. 2015: Hubmann gibt nach den Vorfällen die Geschäftsführung ab.
2016: Das Oberlandesgericht Graz verurteilt Hubmann rechtskräftig zu 16 Monate bedingter Haft und 82.800 Euro Geldstrafe. Genau 689.260 nicht mehr ganz so frische Eier seines Unternehmens seien in den Handel gebracht worden. Hubmann selbst bezeichnete das Mindesthaltbarkeitsdatum als "kundenspezifisch".
2017: Das Unternehmen meldet mit zehn Millionen Euro Schulden Insolvenz an.
Wissen:
Sie kommen in Weiß, Braun, Grau, Rot, Blau und Grün zu Ostern, klein und groß, mit dünner oder dickerer Schale: Eier. Für viele beim Frühstück, Backen oder Schnitzelbraten kaum wegzudenken, genießen Eier in Österreich besondere Beliebtheit: Rund zwei Milliarden von ihnen werden hierzulande pro Jahr verspeist. Circa 84 Prozent der Eier liefern die heimischen Hühnerbetriebe. Unterschieden wird bei der Haltung der Hühner zwischen Bio-, Freiland- und Bodenhaltung. Die Käfighaltung ist in Österreich seit 2009 verboten. Die meisten Hennen – mehr als zwei Drittel – leben in Bodenhaltung
Mehr Freiraum
Der größte Unterschied der Haltungsformen liegt im Platzangebot: Bei der Bodenhaltung leben neun Hennen pro Quadratmeter im Stall, bei der Freilandhaltung sind es acht Hennen, außerdem hat jede Henne mindestens vier Quadratmeter Auslauf im Grünen. Bei der Biohaltung kommen im Stall sechs Hennen pro Quadratmeter, mit mindestens zehn Quadratmeter Auslauf pro Tier im Freien. Gefüttert werden die Hühner größtenteils mit gentechnikfreiem Soja. Ein Stempel auf jedem Ei gibt über die Haltung Auskunft: B
biologisch (0), Freiland (1) und am Boden (2). (jp)