Der österreichische Fotograf Peter Mathis ist ein Chronist der Alpen. In seinen ungewöhnlichen Perspektiven kommt der Mensch nur am Rande vor. Das macht überhaupt nichts.
Ein Bild wie eine Radierung: Die schroffen Zinnen und Scharten der Cadini di Misurina in den Sextener Dolomiten sind eine Studie in Schwarz, Anthrazit und Grau. Sonst stehlen ihnen die viel besuchten Drei Zinnen die Schau, doch der österreichische Fotograf Peter Mathis hält sich abseits der populären Rennstrecken, steigt stattdessen hoch hinauf, auf Routen, die echten Könnern vorbehalten sind. Eine Mühsal, wie in einigen Bildtexten zu lesen ist, aber auch eine große Lust. Von Gipfelrückseiten aus und bei Winterüberquerungen wirft Mathis neue Blicke auf alte Bekannte, etwa das verschneite Wettersteingebirge mit der Zugspitze: Das Münchner Haus ist so winzig, als wäre es mit dem Berg verschmolzen. Die hundert Schwarz-Weiß-Aufnahmen erzählen vom perfekten, nicht wiederholbaren Augenblick, etwa wenn der Nebel sich für einen winzigen Moment lichtet und das Matterhorn oder eine Kirchturmspitze aus dem weißen Nichts herausragen. Mathis' Verbündete sind Nebel, Hagel und Schneesturm.
Berge wie Radierungen
"Schlechtes Wetter ist für Naturfotografie gutes Wetter", sagt er. Belohnt wird er mit Pulverschnee, der in der Sonne wie Feenstaub um den Tödi tanzt.
Mathis war Kletterer und Sportfotograf, heute ist er Bergfotograf und Chronist der Alpen. Er zeigt sie dem Betrachter so, wie es sie eigentlich nicht mehr gibt: nahezu menschenleer. Die Alpen, schreibt Jan Kirsten Biener im Vorwort, seien das am stärksten vom Menschen geprägte Gebirge, selbst in großen Höhen sei deren Anwesenheit sichtbar. Wie auch nicht - bei elf Millionen Bewohnern und jährlich bis zu 400 Millionen Übernachtungen. Bieners These, dass der Mensch der Geologie und Geomorphologie dennoch nichts anhaben kann, darf man angesichts der massiven baulichen Eingriffe bezweifeln. Die Strukturen von Berg und Gestein, Schnee und Eis interessieren Mathis jedenfalls mehr als der Mensch. Der wirft allenfalls kleine schwarze Schatten auf Schnee und Fels. Schön wär's, darf man da einwenden. Auch Spuren der Zivilisation sind kaum sichtbar: Filigran zeichnet die Seilbahn die Flanke der Aiguille du Midi nach.
Dieser Bildband ist kein Daumenkino. Erst bei längerer Betrachtung entdeckt man etwa die mit der Umgebung fast verschmolzene Gämse in einem Flusslauf am Gamsbodenjoch. Mathis hat schon viele Preise erhalten - 2008 hat man ihm als erstem Österreicher den Titel eines Hasselblad Masters verliehen. Dieser Band ist ebenfalls preiswürdig.
Peter Mathis: Alpen. Prestel Verlag, München, London, New York 2017. 176 Seiten, 49,95 Euro.