- Das Haus der Bayerischen Geschichte hat die Landschaft des Graswangtals als Schauplatz für die nächste Landesausstellung auserkoren.
- Zwischen dem Kloster Ettal und Linderhof will man dem Mythos Bayern nachspüren und alte Klischees durchleuchten.
- Die Ansprüche sind noch höher als sonst, denn 2018 ist ein Jubiläumsjahr: Unter anderem werden 100 Jahre Freistaat Bayern und 200 Jahre Verfassung gefeiert.
Gerade an ruhigen Novembertagen drängt sich im Linderhofer Schlosspark ein abgenütztes, aber immer noch schönes Sprachbild auf. Es ist eine tosende Stille, die das im Graswangtal gelegene Schloss umhüllt. Auf die weitflächigen Wälder und Wiesen hat sich der erste Schnee gelegt, aber in das spätherbstliche Rauschen der Natur mischen sich diesmal noch heftigere Lautmalereien.
Aus der Anhöhe hinter dem Schloss ragen mächtige Kräne empor, in deren Nähe Handwerker unentwegt hämmern und sägen und rund um das partiell baufällige Schloss einen seltenen Einklang von Bergstille und Großbaustelle erzeugen.
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Die Touristenströme, die auch das abgelegene Schloss Linderhof nicht verschonen, versiegen um diese Jahreszeit. An diesem Tag strandet am Parkplatz vor dem Schloss noch ein letzter Bus mit chinesischen Gästen, die nach ihrer Europa-Rallye abgekämpft wirken und gar nicht ahnen, welches Gedränge ihnen hier im Sommer blühen würde. Jetzt können sie, kaum eingedenk ihres Privilegs, den Park ungestört und fast alleine durchmessen.
Diese Bewegungsfreiheit träfe den Geschmack des Erbauers von Schloss Linderhof hundertprozentig. König Ludwig II. hatte diese einsame Gebirgslandschaft nahe dem Kloster Ettal bewusst gewählt, um sich dort die "Königliche Villa Linderhof" errichten zu lassen. Kein repräsentatives Bauwerk sollte es sein, sondern ein privates Refugium. Linderhof ist der einzige Schlossbau, dessen Vollendung Ludwig II. erlebt hat.
Im November spürt der Besucher ganz besonders, dass es an Verrücktheit grenzt, in dieser Abgeschiedenheit ein Schloss hinzustellen. Wenn sich allerdings der Nachmittag neigt, dann offenbart sich die geniale Wahl dieses Ortes. Während drüben in Ettal oder im übrigen Graswangtal im November gegen 14 Uhr die Sonne hinter den Bergen verschwindet, bleibt sie hier hängen und taucht die malerische Architektur in ein fast mythisches Licht.
Die Ansprüche sind noch höher als sonst
Die Begriffe Mythos und Bayern werden gerne in einem Atemzug genannt. Vielleicht liegt es daran, dass sich all das Rätselhafte und Unergründliche dieser Region wenigstens als Mythos erklären lässt. Zudem kann man auf diese Weise letztgültige Wahrheiten formulieren - sei es zur Frage der Vereinbarkeit der Wolpertinger mit der Evolutionstheorie oder eben zum Verhältnis von bajuwarischen Befindlichkeiten und eben jener Landschaft, aus der sie hervorquellen.
Das Haus der Bayerischen Geschichte, das mit großem Eifer nach Antworten auf diese Fragen sucht, hat richtigerweise die Landschaft des Graswangtals zwischen dem Kloster Ettal und Linderhof als Schauplatz für die nächste Landesausstellung auserkoren. Die Ansprüche sind diesmal noch höher als sonst. 2018 ist ein besonderes Jahr: Unter anderem werden 100 Jahre Freistaat Bayern und 200 Jahre Verfassung gefeiert. Grund genug also, um dem Mythos Bayern in dieser Urlandschaft nachzuspüren und alte Klischees zu durchleuchten, wie sie gerade im Werdenfelser Land zwischen Garmisch-Partenkirchen, Ettal und Oberammergau üppig gedeihen.
Seit jeher gesellt sich zum Gebirgswald die Vorstellung von Freiheit und Widerstand. Man denke nur an die Wildschützen und deren Auflehnung gegen staatliche Jagdverbote. Widerborstig gebärdete sich auch der Bauernbund, der um 1900 eine politische Großmacht bildete und in Oberbayern auf die Initiative der Waldbauern zurückging. Freiheit, Auflehnung, Revolution - das sind Leitmotive, die den Freistaat 2018 stark beschäftigen werden - nach gegenwärtiger Lage wohl nicht nur in historischer Hinsicht. Auch die Querelen in der aktuellen Landespolitik könnten jederzeit ausweglos in den Wald führen.