In Bayern werden immer mehr illegale Transporte gestoppt, die Hundebabys müssen dann versorgt werden. Tierschützer bleiben bisher auf den Kosten sitzen, ein Gericht könnte nun einen Präzedenzfall schaffen
Herbert Sauerer ist auf der Suche nach Namen. Bisher hatte der Vorstand des Tierheims Feucht bei Nürnberg eine simple Methode, um Hundewelpen aus illegalen Tiertransporten zu "taufen": Er suchte Namen mit dem Anfangsbuchstaben des Ortes aus, an dem sie aufgegriffen wurden. A wie Allersberg etwa. Das funktionierte so lange, wie der illegale Welpenhandel kein großes Problem war. Nun aber gehen Sauerer langsam die Namen aus.
Seit im Zuge der Flüchtlingskrise entlang der bayerischen Staatsgrenze wieder Kontrollen eingeführt wurden, hat sich die Situation verschärft. Allein 2017 wurden mehr als 260 Welpen aus illegalen Transporten von Tierheimen aufgenommen. Gerade einmal 50 Euro koste die Züchtung eines Welpen in Osteuropa, sagt Sauerer. In Deutschland werden diese in der Weihnachtszeit für das Zehnfache angeboten. Ein lukratives Geschäft für die Welpenhändler, ein finanzielles Risiko für Tierschützer. Wenn illegale Transporte bei Polizeikontrollen auffliegen, müssen sich Tierheime um die Welpen kümmern. Futter, Tierarzt, Medikamente und Impfungen sind teuer. Im Schnitt rechnen Tierschützer mit 1500 Euro pro Welpe. Darauf bleiben die Tierheime meist sitzen, weil die Landkreise zwar zahlen sollten, es aber häufig nicht tun.
Beim bundesweit bisher größten Aufgriff eines illegalen Tiertransports wurden 7000 Tiere gerettet, in dieser Holzkiste steckten 100 Mäuse.
(Foto: Anton Rainer)Mehr als 85 Tierheime gibt es in Bayern, fast alle klagen über mangelnde Unterstützung durch die öffentliche Hand. Nirgendwo in Deutschland ist die Belastung durch illegale Tiertransporte so hoch wie hier und nirgendwo ist die Finanzierung so gering. Weil das Geld fehlt, müssen die Trägervereine andere Investitionen aufschieben: eine neue Heizung, Dachreparaturen oder dringend nötige Renovierungen. Besonders in den Grenzregionen, etwa in Passau oder im Berchtesgadener Land, bringt das viele Tierheime in Existenznot.
Herbert Sauerer, der Vereinschef des Feuchter Tierheims, mit einem der geretteten Malteser-Welpen.
(Foto: oh)Am Würzburger Verwaltungsgericht könnte an diesem Montag ein Musterprozess zu Ende gehen, der den Heimen langfristig helfen könnte. Der Tierschutzverein Schweinfurt soll nach vier Jahren Streit 20 000 Euro vom Landratsamt erhalten. Das sieht ein Vergleich vor, der am Dienstag wirksam wird, sofern keine der beteiligten Parteien ihn widerruft. Zahlt der Landkreis, wäre das ein Präzedenzfall, auf den sich andere Tierheime berufen könnten.
Der Tierschutzverein Schweinfurt hatte ursprünglich 28 520 Euro für die Pflege von Welpen gefordert, die 2013 bei einer Kontrolle beschlagnahmt wurden. 78 Tiere hatte man damals gefunden, aufeinander gestapelt "wie Bananen in Kisten", erinnert man sich im Verein. 25 Welpen übernahm das Tierheim in Schwebheim im Kreis Schweinfurt, der Rest wurde auf vier weitere Heime verteilt, unter anderem auf das in Feucht. Dieses Geld wurde jedoch nicht erstattet, trotz mehrmaliger Aufforderung an das Landratsamt. Das war wohl widerrechtlich. Im Vergleich wird der Anspruch der Kläger nun "dem Grunde nach anerkannt". Dem Tierschutzverein hätte das Geld also von Anfang an zugestanden.
Der Verband für das deutsche Hundewesen hält den illegalen Welpenhandel für ein "professionelles Millionengeschäft mit mafiösen Strukturen". Tierschützer sprechen vom drittgrößten Schwarzmarkt nach dem organisierten Drogen- und Waffenhandel. In Bayern haben die Behörden 2015 und 2016 etwa 600 illegal eingeführte Welpen registriert. Meist werden sie in osteuropäischen Ländern gezüchtet und über Onlineportale angeboten. Eigentlich müssen Hunde, die aus einem anderen Land der Europäischen Union nach Deutschland gebracht werden, gegen Tollwut geimpft und mindestens 15 Wochen alt sein. Neben einem EU-Heimtierausweis benötigen sie auch eine Kennzeichnung per Mikrochip. Seit August 2014 müssen Händler, die Hunde nach Deutschland einführen wollen, zudem eine Erlaubnis vom zuständigen Amt einholen.
Doch damit ist nicht geklärt, wer am Ende zahlt: Das Geld, das die Landratsämter erstatten sollten, haben diese oft selbst nicht. Deren Veterinärämter haben für solche Fälle pro Jahr meist nur ein vierstelliges Budget. Das kann ein kleiner Einzelfund verschlingen. Der bayerische Landkreistag fordert deswegen, dass der Freistaat bis auf Weiteres die Kosten übernimmt. Auch die Tierheime plädieren für einen Notfallfond aus Landesmitteln in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro.
Der Tierschutz ist seit 1998 in der bayerischen Verfassung verankert. Die 1994 aus dem Haushalt gestrichenen Zuschüsse für Tierschutzvereine wurden bis heute nicht wieder eingeführt. Das Umweltministerium verweist auf die Fundtierpauschale, die Kommunen an Tierheime zahlen. Damit wird aber selten mehr als ein Fünftel der Kosten gedeckt. In anderen Bundesländern gibt es außerdem ein Budget für Ausbau oder Instandhaltung von Tierheimen. Für Herbert Sauerer hat der Tierschutz eine zu schwache Lobby: "Im Staatshaushalt vorgesehen sind Gelder für Tierversuchseinrichtungen, den Jagd-, Bauern- und Fischereiverband. Wer Tiere nutzt, kriegt Kohle - wer Tiere schützt, kriegt nichts." Während der Prozess für das Schweinfurter Tierheim gut enden könnte, sind in Feucht neue Welpen angekommen. Luck, Lars, Lilly, Lili und Leni wuseln über den beheizten Fliesenboden. Die wenige Wochen alten Malteser wurden am 10. Oktober am Ludergraben bei Nürnberg gerettet. Für sie fielen dem Tierheim Feucht noch Namen ein. Bei einem anderen, größeren Transport, bei dem mehrere tausend Mäuse, Ratten und Hamster gefunden wurden, musste Sauerer zu einer Notlösung greifen: Etliche Tiernamen beginnen nun einfach mit "T", wie Tiertransport.