May: Konnten heute signifikante Verbesserungen erzielen – "Keine harte Grenze" Irland/Nordirland – EU-Bürgerrechte voll gewahrt
Brüssel/London – Die EU und Großbritannien haben am Freitag "genügend Fortschritte" für die zweite Phase der Brexit-Verhandlungen erzielt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und die britische Premierministerin Theresa May verkündeten Freitag früh nach einem kurzfristig anberaumten Treffen "signifikante Verbesserungen". Juncker sagte, es gebe genügend Fortschritte für die zweite Phase.
Auch was die Grenzfrage Irland/Nordirland betrifft, zeigten sich beide Seiten überzeugt, dass es "keine harte Grenze" geben werde, der Friedensprozess durch das Karfreitags-Abkommen werde fortgesetzt. Auch bei den Bürgerrechten gibt es laut Juncker Klarheit. EU-Bürger, die in Großbritannien lebten, würden weiterhin volle Rechte genießen, auch was die sozialen Ansprüche wie Pensionen betreffe. Für EU-Bürger würde der EuGH als Letztinstanz weiter gelten. Dieser Punkt war ja in den bisherigen sechs Verhandlungsrunden der ersten Phase umstritten und von Großbritannien abgelehnt worden.
May rechnet nun damit, dass die EU auf dem Jahresendgipfel am 14. und 15. Dezember die Weichen für den Brexit stellen will. "Wir werden die EU verlassen." Dann könnte der Startschuss für die nächste Phase der Verhandlungen fallen, in denen es um einen Freihandelsvertrag mit London gehen dürfte.
Details würden in der Folge EU-Chefverhandler Michel Barnier und der britische Brexit-Minister David Davis Freitagvormittag verkünden, sagte der Kommissionspräsident. Juncker verwies darauf, dass es in dieser Woche eine Reihe von Gesprächen zwischen ihm und May, zwischen May und dem irischen Regierungschef Leo Varadkar sowie zwischen dem irischen Premier und ihm, Juncker, gegeben habe. Jedenfalls gebe es genügend Fortschritte, um dem EU-Gipfel in einer Woche die Aufnahme der zweiten Verhandlungsphase mit Großbritannien zu empfehlen. Dabei geht es um die künftigen bilateralen Beziehungen zwischen der EU und London nach dem Brexit.
Tusk will schnell Übergangsperiode verhandeln
Juncker betonte, es sei notwendig gewesen, heute den Deal zu erzielen. Jetzt liege es in den Händen der Verhandler, und "ich hoffe, sie teilen das", so der Kommissionspräsident. Er lobte May, die versicherte, den Rückhalt der Regierung in London für den Deal zu haben. May habe "wie ein Gentleman" verhandelt. Auf dieser Basis konnte nun die Vereinbarung erzielt werden. Allerdings sei das heute vorgelegte Resultat ein Kompromiss. Er selbst bedaure die Entwicklung, dass die Briten die EU verlassen werden, und es gehe jetzt darum, die Vision einer tiefen und engen Partnerschaft zu entwickeln.
EU-Ratspräsident Donald Tusk will mit Großbritannien schnell über eine Übergangsperiode sprechen. Diese sollten beginnen, "damit Unternehmen und Bürger Klarheit haben", sagte Tusk am Freitag in Brüssel.
EU-Gipfel am 14. und 15. Dezember
Großbritannien habe nach einer Übergangszeit von zwei Jahren nach dem Austritt aus der EU im März 2019 gefragt, in denen das Land Teil des Binnenmarktes und der Zollunion bleiben würde. "Ich empfehle eine unmittelbare Aufnahme der Gespräche."
Die Staats- und Regierungschefs der anderen 27 Mitgliedstaaten wollen beim EU-Gipfel am 14. und 15. Dezember entscheiden, ob es "ausreichende Fortschritte" bei zentralen Austrittsfragen in den Verhandlungen mit Großbritannien gibt. Nur dann sollen die Brexit-Gespräche in Phase zwei gehen und nach einer Einigung auf die Austrittsmodalitäten auf die künftigen Beziehungen EU-Großbritannien sowie ein mögliches Handelsabkommen ausgeweitet werden.
Gemischte Reaktionen
Der Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen hat in Großbritannien und Irland gemischte Reaktionen ausgelöst. Die Boulevardzeitung "The Sun" titelte in ihrer Onlineausgabe: "Hard won" (etwa: "Schwer erkämpfter Sieg").
Umstritten war bis zuletzt vor allem die Frage, wie Grenzkontrollen an der Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden können. Die Chefin der nordirischen DUP (Democratic Unionist Party), Arlene Foster, sagte, die britische Premierministerin Theresa May habe ihr eine klare Bestätigung gegeben, dass ganz Großbritannien die EU, den europäischen Binnenmarkt und die Zollunion verlassen werde.
Es habe seit Anfang der Woche einen "substanziellen Fortschritt" bei dem Text gegeben. Trotzdem gebe es noch Angelegenheiten, die sie gerne geklärt hätte. "Uns ist die Zeit ausgegangen", sagte Foster dem Nachrichtensender Sky News.
Der irische Außenminister Simon Coveney twitterte: "Sehr gutes Ergebnis für alle auf der irischen Insel – garantiert keine befestigte Grenze!"
Weniger zufrieden zeigte sich der Brexit-Vorkämpfer und ehemalige Chef von UKIP (UK Independence Party), Nigel Farage. "Ein Abkommen mit Brüssel ist eine gute Neuigkeit für Frau May, da wir jetzt in die nächste Phase der Erniedrigung eintreten können", twitterte Farage. (APA, Reuters, 8.12.2017)