- München boomt, aber das Versorgungssystem kommt nicht hinterher.
- Besonders werdende Mütter und Väter sind betroffen, die Geburtskliniken, Hebammen und Kinderärzte suchen.
Teresa Komann hatte den Eindruck, immer zu spät zu sein und ständig als Bittstellerin auftreten zu müssen - von dem Zeitpunkt an, als der Schwangerschaftstest positiv war. Eigentlich ein schöner Augenblick in ihrem Leben. Doch bei Komann war das, wie bei den meisten Frauen in München, auch der Beginn einer langen und verzweifelten Suche. Nach einer Geburtsklinik, einer Hebamme, einem Kinderarzt. Dahinter stecken nicht nur münchenspezifische Probleme. Kinderärzte und Hebammen schlagen auch in anderen Regionen Deutschlands Alarm. Da die Zahl der Geburten in München aber so stark steigt, ist die Lage hier besonders brisant.
München boomt, aber das Versorgungssystem wachse nicht schnell genug mit, sagt Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs. Während die Zahl der Neugeborenen jedes Jahr einen neuen Rekord verzeichnet, ist die Zahl der Bewerber für die Hebammenausbildung stark zurückgegangen. Bei den Kinder- und Jugendärzten sind die Warteschlangen so lang, dass einige Praxen keine neuen Patienten mehr aufnehmen oder man wochenlang auf einen Termin warten muss.
Wenn eine Geburt nicht nur sicher, sondern auch ein Erlebnis sein soll
Teresa Komann war in der neunten Woche schwanger, als sie beim Klinikum Dritter Orden anrief, um sich anzumelden. Doch es gab keinen Platz mehr - für einen Geburtstermin, der sieben Monate später lag. Insgesamt etwa 2700 Geburten können in den acht Entbindungsräumen in dem Klinikum im Jahr betreut werden. Komann war enttäuscht, weil sie selbst im Dritten Orden zur Welt gekommen ist, aber schließlich gibt es genug Kliniken in München, sagte sie sich.
Bei anderen Geburtsabteilungen war sie allerdings noch zu früh, um sich anzumelden. Jede Klinik hat ihr eigenes Prozedere. Aber auch wenn eine Frau angemeldet ist, kommt es immer wieder vor, dass ihre Klinik bereits ausgelastet ist, wenn die Geburt beginnt. 2016 gab es 18 100 Neugeborene in München, etwa 1000 Babys mehr als 2015. Die Stadt geht davon aus, dass die Zahl in den nächsten Jahren weiter steigen wird.
Das Gesundheitsreferat (RGU) und die Kliniken arbeiten seit einiger Zeit daran, den Engpässe in den Kreißsälen durch bessere Vernetzung entgegenzuwirken. So müssen Frauen nun nicht mehr selbst unter Wehen von Klinik zu Klinik fahren, sondern werden weitervermittelt. Viele Kliniken bauen außerdem ihre Geburtsabteilungen aus.
Das Helios Klinikum München West hat vergangenen Monat einen neuen Kreißsaal eröffnet. Im Städtischen Klinikum kamen 2016 mehr als 6000 Kinder auf die Welt. In den kommenden Jahren sollen die Kapazitäten um weitere 1500 Geburten pro Jahr erweitert werden. Doch die Situation bleibt angespannt, auch weil die Kliniken gar nicht so schnell Personal rekrutieren können. Hinzu kommt noch, dass viele Geburtsabteilungen im Umland geschlossen wurden.
Und die Lage könnte sich von Januar 2018 an noch deutlich verschärfen. Dann gilt eine neue Vorschrift: Belegehebammen, die freiberuflich im Kreißsaal arbeiten, dürfen nur noch zwei Frauen gleichzeitig betreuen. Das fordere einen Mehrbedarf an Hebammen und Räumen, den ganz München sich generell gar nicht leisten könne, sagt Ina M. Rühl, leitende Oberärztin der Geburtshilfe im Rotkreuzklinikum: "Wir befürchten dadurch eine Verschlechterung der Situation und eventuell auch ein Problem bei der Suche nach neuen Hebammen in der Zukunft."
In der zehnten Woche ihrer Schwangerschaft hat Teresa Komann angefangen, eine Hebamme zu suchen für die Betreuung nach der Geburt. Sie hat 35 Hebammen angerufen, auf Anrufbeantworter gesprochen und E-Mails verschickt. Sie hat nur Absagen erhalten. "Jede Frau hat Anspruch auf eine Nachsorgehebamme. Aber was ist, wenn es keine gibt, die freie Kapazitäten hat?", fragt Komann.