Schlechter Sitz, unschöne Stoff-Wülste, freigelegter Rücken: Im Büroalltag erweist sich das Oberhemd oft als tückisch. Hemdenhalter schaffen Abhilfe, doch was taugen sie? Modeexperte Bernhard Roetzel hat sie getestet.
Er schlägt zu, mit voller Wucht. Wirft einen Holzschrank auf seinen Gegner. Verschwindet mit einem düsengetriebenen Rucksack in den Himmel. Einen Augenblick später landet er neben seinem Sportwagen, lässt das Fluggerät in den Kofferraum gleiten und braust an der Seite einer Frau davon. Der Dreiteiler sitzt stets perfekt, denn eines würde James Bond niemals tun, nicht vor den Augen einer Dame oder sonst jemandem: sein Hemd wieder mühsam in die Hose stopfen.
So manches unterscheidet den britischen Geheimagenten vom ganz normalen deutschen Büromann, doch am Umgang mit dem Oberhemd wird der Klassenunterschied besonders deutlich.
Die Szene aus dem Film "Feuerball", in dem Sean Connery 1965 die Hauptrolle spielte, ist nur ein illustres Beispiel. Für James Bond gilt ganz allgemein: Er wird geschlagen, bedroht und geknechtet, doch er richtet niemals derart plump seine Garderobe. Im wirklichen Leben haben viele Männer mit den Tücken des klassischen Oberhemds zu kämpfen. Denn wer sich im Büroalltag nach weit oben im Regal platzierten Ordnern reckt, wer sich nach Heruntergefallenem bückt oder einfach nur gekrümmt am Rechner sitzt, der stellt alsbald fest, dass das Hemd zwar alle der genannten Bewegungen mitmacht, doch dabei selten bleibt, wo es soll, da kann der Gürtel noch so eng geschnallt sein. Im besten Fall bilden sich unschöne Stoff-Wülste an den Seiten, im schlechtesten gibt der weit herausgerutschte Stoff den Blick frei auf das Unterhemd oder gar den behaarten Rücken. Da hilft dann nur noch: zurückstopfen, wenn gerade keiner hinschaut.
Kölsche Jung
Gummierte Gürtel, elastische Bänder: Der Mann soll sich in der Körpermitte sicher fühlen
Männer, es geht aber auch anders, fester und straffer! Bei akuter Entblößungsgefahr versprechen sogenannte Hemdenhalter Abhilfe. Das sind zum Beispiel unter der Hose getragene Halterungen aus elastischen Bändern, die den Hemdsaum mit dem Kniestrumpf verbinden und so ein Herausrutschen des Oberhemds verhindern sollen. Es gibt auch gummierte Gürtel, die unter dem Hosenbund getragen werden und so etwas wie magnetische Knöpfe, die ebenfalls klandestin am Hemd angebracht werden und durch den eng anliegenden Ledergürtel in Position gehalten werden. Dem Träger suggerieren diese Utensilien jedenfalls, dass er sich im Büro künftig so sicher und selbstbewusst fühlen kann wie Sean Connery in seinen besten Tagen, na ja, zumindest was die Passform des Oberhemdes angeht.
Ob die Teile auch halten, was ihre Hersteller versprechen? Bernhard Roetzel zeigt sich da skeptisch. Der 51-Jährige ist in Deutschland eine Instanz in Fragen der klassischen Herrenbekleidung, sein Standardwerk "Der Gentleman" wurde in etliche Sprachen übersetzt. Hemdenhalter - im Englischen "Shirt stays" genannt - kommen darin nicht vor, das unterscheidet sie von den etablierten Accessoires wie Ärmel- und Sockenhalter.
Roetzel, eine makellose Erscheinung, steht im holzvertäfelten Obergeschoss einer bekannten Münchner Boutique und mustert die herbeigebrachten Hemdenhalter eines deutschen Herstellers. Je ein schwarzes Nylonband an jeder Seite, oben wird es an zwei Stellen am Saum befestigt und unten mit einem Clip am Kniestrumpf. Die Länge kann eingestellt werden, damit der Zug nicht zu stark oder zu schwach ist. So soll das Hemd stets "perfekt sitzen", wie es in einer Produktbeschreibung heißt.
Das schwarze Band baumelt an Roetzels Bein entlang, er sagt kopfschüttelnd: "völlig absurd". Immerhin besteht der Halter den Test, das Hemd rutscht selbst bei ausladenden Bewegungen kaum. Und doch hinterlasse der Apparat mit seinen Metallschnallen ein "unangenehmes Gefühl", befindet der Experte. Ähnlich ist es bei einem anderen Modell, dessen unteres Ende nicht an der Socke befestigt wird, sondern wie ein Band um den Oberschenkel zu schnallen ist. Von dort aus führen drei abermals elastische Bänder nach oben zum Hemd. Immerhin sei dieses Modell etwas schneller anzulegen, sagt Roetzel, man spüre den Kunststoff beim Sitzen auch nicht so. Doch es bleibe, trotz der Zweckmäßigkeit, ein seltsames Gefühl auf der Haut.