VW-Dieselskandal Einer der härtesten Tage seines Lebens

Der VW-Manager Oliver S. erklärte, dass bei einem Treffen mit der Umweltbehörde ihm VW Gesprächspunkte vorgegeben habe. "Bedauerlicherweise habe ich mich an sie gehalten."

(Foto: dpa)

Ein weiterer VW-Manager steht in den USA vor Gericht. Auf ein mildes Urteil kann er wohl nicht hoffen, dafür hat er zu wenig kooperiert.

Von Kathrin Werner, New York

Dieser Mittwoch, sagt Oliver S., sei ohne Zweifel einer der härtesten Tage seines Lebens. An diesem Mittwoch steht er vor dem Richter in Detroit, Anlass zur Hoffnung auf ein mildes Urteil gibt es nicht.

Er ist der zweite VW-Manager, der wegen seiner Beteiligung am Dieselskandal dort vor Gericht steht. Der zuständige Richter Sean Cox hat bislang keine Gnade gezeigt. Oliver S. drohen bis zu sieben Jahre Gefängnis und bis zu 400 000 Dollar Strafzahlung. Beobachter erwarteten eine Haftstrafe von mindestens vier Jahren. Am späten Mittwochabend deutscher Zeit, nach Redaktionsschluss, setzte Cox das Strafmaß fest.

Oliver S., der aus einer Kleinstadt in Niedersachsen stammt, war von Februar 2012 bis März 2015 Leiter der VW-Umweltzertifizierungsstelle in Michigan und damit für den Kontakt zu den US-Umweltbehörden zuständig. Er hatte zunächst alles abgestritten. Im August bekannte sich der 48-Jährige aber schuldig, die Behörden betrogen und gegen das Luftreinhaltungsgesetz verstoßen zu haben.

Entschuldigungsbrief an die Richter

Interne Unterlagen und E-Mails hatten zuvor gezeigt, dass er von der Manipulation der Diesel-Abgasanlagen in den VW-Autos wusste und versucht hatte, die US-Behörden hinters Licht zu führen. Oliver S. sagt, er habe erst im Sommer 2015 von der Schummelsoftware erfahren.

In der vergangenen Woche hatte er einen Brief an den Richter geschrieben, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Darin entschuldigt er sich und macht VW schwere Vorwürfe. "Ich fühle mich von meiner eigenen Firma missbraucht", schrieb er. Bei einem Treffen mit der Umweltbehörde habe ihm VW Gesprächspunkte vorgegeben. "Bedauerlicherweise habe ich mich an sie gehalten."

Weil er sich zunächst weigerte, zu gestehen und über den Fall auszusagen, erlebte er die ganze Härte des amerikanischen Justizsystems. Zur ersten Anhörung im Januar wurde er in Handschellen und Sträflingskleidung vorgeführt. Seine Anwälte hatten zuerst Probleme, ihren Mandanten mit Dingen wie Medikamenten oder einer Brille zu versorgen. Er saß zunächst in Oklahoma in Haft an der Seite von Schwerverbrechern und wurde später nach Michigan verlegt. Eine Erleichterung, weil ihn dort seine Frau besuchen konnte, die ihren Job in Deutschland aufgegeben hatte und in die USA gezogen war.

Trotz des Angebots, 1,6 Millionen Dollar Kaution zu zahlen, sowie Dutzender Empfehlungsschreiben von Familie und Freunden lehnte Richter Cox eine vorläufige Freilassung ab - die Fluchtgefahr erschien ihm zu groß. Auch nach seinem Geständnis musste er in Untersuchungshaft bleiben. Allerdings ließen die Ankläger neun der elf Anklagepunkte fallen, die Höchststrafe sank von 169 Jahren auf sieben Jahre. Falls er wie erwartet zu einer Haftstrafe verurteilt wird, kann er darauf hoffen, dass er nach einiger Zeit in ein deutsches Gefängnis überstellt wird. In Deutschland könnte er bei guter Führung früher entlassen werden als in den USA.

"Die Tat, die Sie und ihre Mitverschwörer begangen haben, ist eine, die geeignet ist, das Fundament des amerikanischen Wirtschaftssystems zu zerstören: das Vertrauen der Kunden"

Richter Cox hatte im August den langjährigen VW-Manager und Diesel-Spezialisten James L. zu drei Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt, länger als die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Außerdem muss dieser eine Geldstrafe von 200 000 Dollar zahlen, zehnmal so viel wie die Staatsanwälte verlangt hatten. Der Ingenieur hatte sich eigentlich mit den Ermittlungsbehörden auf einen Vergleich verständigt und bei der Untersuchung geholfen. Die Staatsanwaltschaft betonte, dass sie James L. nicht als Strippenzieher ansieht, sondern lediglich als einen, der die Betrügerei ausführte. Die wahren Verantwortlichen, sagte der Ankläger, säßen ohnehin in Deutschland. "Die Tat, die Sie und ihre Mitverschwörer begangen haben, ist eine, die geeignet ist, das Fundament des amerikanischen Wirtschaftssystems zu zerstören: das Vertrauen der Kunden", sagte dagegen Richter Cox - was wohl auch auf Oliver S. zutreffen muss.

Ihm droht ein härteres Urteil. Er hat die Untersuchung des Abgasskandals nicht wesentlich vorangetrieben. Außerdem war er höherrangig. Zwar haben die Behörden im Juni mehrere VW-Manager international zur Fahndung ausgeschrieben, doch Deutschland liefert sie nicht aus, und sie werden es vermeiden, in die USA zu reisen. Oliver S. war vor einem Jahr in den Winterurlaub nach Florida gefahren, wo ihn das FBI verhaftete. "Auf der Toilette am Airport in Miami festgenommen und dann in Handschellen zu meiner Frau gebracht zu werden, war bis dahin die erniedrigendste Erfahrung meines Lebens", schrieb er in seinem Brief. Der VW-Konzern hatte im Januar einen Vergleich mit den US-Behörden geschlossen und sich mit 23 Milliarden Dollar freigekauft.

"Ich fühle mich von meiner eigenen Firma missbraucht"

Dem deutschen VW-Manager S. drohen in den USA bis zu sieben Jahre Haft wegen des Dieselskandals. Nun erhebt er schwere Vorwürfe gegen seinen Konzern. mehr...