Kindertheater Ein Herz für die Bösewichte

Eine Menge Stroh soll das Rumpelstilzchen (Eleonore Daniel, rechts) für die Müllerstochter (Kathrin Hanak) zu Gold spinnen. Doch das Waldmännlein besteht auf einer Gegenleistung.

(Foto: Loredana LaRocca)

Einerlei ob "Rumpelstilzchen" in der Komödie im Bayerischen Hof oder "Peter und der Wolf" in der Schauburg: Am Ende wird alles gut - sogar für die Antihelden

Von Barbara Hordych

Gemeinhin sind es die Bösewichte, die einer Geschichte die nötige Würze verleihen. Das gilt insbesondere in Stücken für Kinder, in denen Hexen, Wölfe und undurchsichtige Zauberwesen seit jeher eine unverzichtbare, schön-gruslige Rolle spielen. So verhält es sich auch mit dem Rumpelstilzchen im gleichnamigen Weihnachtsmärchen in der Komödie im Bayerischen Hof. Dort gibt Eleonore Daniel die Titelfigur als handelstüchtiges, derb-bayerisch daherredendes Waldmännlein. Es erklärt der Müllerstochter Käthchen, grundehrlich und unerschrocken gespielt von Kathrin Hanak, eindringlich: Geben und Nehmen, darauf komme es im Leben an. Klingt einleuchtend. Zumal Käthchen keine große Wahl bleibt. Wurde sie doch von der bankrotten und geldgierigen Königin (wunderbar schrill: Susann B. Winter) gefangengesetzt, weil ihr zu Ohren gekommen ist, dass die Müllerstochter Stroh zu Gold spinnen könne. Viel mehr als Kette und Ring ihrer verstorbenen Mutter hat Käthchen dem Gnom als Gegenleistung für seine Hilfe nicht zu bieten. Als dann der Waldschrat bei der dritten Begegnung das erste Kind der Müllerstochter verlangt, im Falle dass sie den Prinzen Alexander heirate, glaubt sich Käthchen auf der sicheren Seite. Hat sie sich doch schon in den schneidigen Förster verguckt, dem sie jüngst im Wald begegnete. Schön selbstironisch präsentiert sich da Sänger-Schauspieler Jörg-Tim Wilhelm in seiner Prinzen-Rolle, flott hoppelnd auf einem umgegürteten weißen Pferd. Entsprechend groß ist Käthchens Schrecken, als ihr später aufgeht, dass ihr geliebter Alexander von Haus aus Prinz ist.

Die Geschichte geht gut aus, damit ist wohl nicht zu viel verraten. Schließlich handelt es sich beim "Rumpelstilzchen" um eines der bekanntesten Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm. "Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß", sind die Worte, mit denen sich das Männlein im Wald um Kopf und Kragen redet. Worte, die ein Bote aufschnappt und seiner Herrschaft überbringt. So weit, so Grimm. Doch in der Version der Komödie, verfasst von Irene Budischowsky, bleibt es dem enttarnten Rumpelstilzchen erspart, sich zum Schluss selbst zu zerreißen. Stattdessen darf es sich zu der trauten Runde bei Königs unter dem Weihnachtsbaum gesellen. Als Zeichen seines guten Willens hat es sogar Kette und Ring als Geschenk mitgebracht. Ein Ende, das vom jungen Publikum mit viel Klatschen und Fußgetrommel goutiert wird. Wie überhaupt die eingestreuten Gesangseinlagen, allesamt von Jörg-Tim Wilhelm und Alex Grünwald komponiert, in Peter M. Preisslers Inszenierung für beste Stimmung sorgen.

Den Part des Bösewichts in der Inszenierung von Sergej Prokofjews musikalischem Märchen "Peter und der Wolf" übernimmt in der Schauburg David Benito Garcia. Mit Hilfe eines grauen Fellmantels verwandelt er sich hinter hölzernen Latten, die je nach Bedarf einen Wald oder einen Gartenzaun vorstellen, in einen bedrohlichen, nahezu eleganten Wolf. Der genau die Ente frisst, die er kurz zuvor noch selbst verkörperte, ausgestattet mit einem dicken Schwimmring, Bürzel und Schnabel. Nun zeugen aber blutige Lippen, die er sich genüsslich ableckt, und ein kleiner Papierschnabel, den er achtlos wegschnippt, von seiner Mordtat. "Jetzt hole ich mir die beiden anderen", verkündet er drohend, und die junge Zuhörerschaft gruselt sich hörbar.

Komponist Markus Reyhani und der textende Regisseur Thomas Hollaender setzen die Motive Prokofjews zu einer sehr verschlankten "Peter und der Wolf"-Version zusammen, die bereits 2013 in der Jungen Oper des Nationaltheaters Mannheim Premiere hatte. Nun ist das Stück mit neuer Besetzung in der Schauburg zu sehen, wo sich das Münchner Holzbläserquintett mit großer Spielfreude in die Aufführung integriert. Die Musiker agieren vereinzelt als Katze oder Vogel, mimen die Jäger, spielen dabei wahlweise die vertrauten Melodien oder die von Reyhani neu dazu komponierten Elemente. Anne Bontemps' unternehmungslustiger Peter wird bei seinem Ausflug in den verbotenen Garten von der Sopranistin Eva Bauchmüller begleitet, einer weihnachtsengelhaften Erzählerin des Geschehens. Dieses gipfelt in der Gefangennahme des Wolfs. Doch der wird zum Schluss nicht in den Zoo abgeführt. Sondern Peter beschließt: "Den Wolf lassen wir frei und schicken ihn zurück in die Wildnis!". Das Publikum jubelt. Oder gilt die Begeisterung eher den Papierschnipseln, die am Ende wie Schnee auf die Bühne niederregnen? Wahrscheinlich beidem.

Rumpelstilzchen, 8. und 22. Dez., 16 Uhr, vormittags auf Anfrage, Komödie im Bayerischen Hof, Promenadeplatz 6. Peter und der Wolf, 23. Dez., 16 Uhr, weitere Termine im Januar, Schauburg, Franz-Joseph-Straße 47