Pro Wochen sollen 60 Stunden Arbeitszeit möglich sein, führten Kurz und Strache am Mittwoch aus
Wien – ÖVP und FPÖ haben sich auf eine Flexibilisierung der Arbeitszeit geeinigt. Als Ziel nannte ÖVP-Chef Sebastian Kurz, für den Tag zwölf Stunden und für die Woche 60 Stunden zu ermöglichen. Konkret darüber einigen soll man sich auf Betriebsebene, führte Kurz aus. "Wir wollen sicherstellen, dass die wöchentliche Arbeitszeit gleich bleibt und Überstunden abgegolten werden." Man wolle lediglich einen Rahmen vorgeben, und der müsse breiter sein als bisher.
Betriebe sollen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat beziehungsweise, wenn es einen solchen nicht gibt, direkt mit dem Arbeitnehmer über eine Einzelvereinbarung mehr Möglichkeiten zur Gestaltung flexibler Arbeitszeiten erhalten, heißt es in einem gemeinsamen Papier von ÖVP und FPÖ.
Widerstand der Gewerkschaft programmiert
Weiters ist – bei gleichbleibendem Regelungsregime der Zuschläge – die Anhebung der Höchstgrenze der Arbeitszeit auf zwölf Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich vorgesehen. Im Tourismus, in der Hotellerie und der Gastronomie soll die Ruhezeit für Betriebe mit geteilten Diensten von elf auf maximal acht Stunden verkürzt werden. Bei den Gewerkschaften dürften all diese Pläne auf Widerstand stoßen.
Beim Thema Wirtschaft haben sich die Koalitionsverhandler zudem auf einen Bürokratieabbau geeinigt. Vorschriften sollen durchforstet und reduziert werden, sagte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Einsetzen will man sich zudem für ausreichend Fachkräfte, die Internationalisierung soll vorangetrieben werden und der österreichische Kapitalmarkt gestärkt.
ÖVP-Verhandler Gernot Blümel sprach vor der Einigung von einem "wesentlichen Eckpfeiler beider Wahlprogramme von Türkis und Blau". Neben der Senkung der Steuer- und Abgabenquote Richtung 40 Prozent sollen weitere konkrete Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts vereinbart werden. Arbeitnehmer sollen dabei aber nicht gegen Arbeitgeber ausgespielt werden, versicherte Hofer. "Wir wollen keinen Klassenkampf."
Die jüngste Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zur Öffnung der Ehe für Homosexuelle soll keine negativen Auswirkungen auf eine ÖVP-FPÖ-Koalition haben, beteuerten beide Verhandlungspartner.
"Spannungsfeld Überwachung"
Vor dem Verhandlungsort im Palais Epstein fand sich auch eine Gruppe von rund 15 Demonstranten der Datenschutzinitiative Epicenter Works ein. Sie protestierte gegen die geplante Neuauflage des Überwachungspakets mit Bundestrojaner, Vorratsdatenspeicherung von erfassten Autokennzeichen, Videoüberwachung im öffentlichen Raum und möglichen Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte.
Hofer ortet im Überwachungspaket ein "Spannungsfeld". Überwachung sei bis zu einem gewissen Grad notwendig, mit kompletter Überwachung habe die FPÖ aber ein Problem. Laut Blümel geht es vor allem darum, die Sicherheit in Österreich zu erhöhen und mit Kriminellen technisch gleichzuziehen. "Wir wollen dabei aber nicht übers Ziel hinausschießen."
Gerüchteküche
Die Koalitionsverhandlungen bewegen sich nun in Richtung Zielgerade. Am Dienstag fanden "bilaterale Gespräche" innerhalb der Steuerungsgruppe statt, zugleich sollen Kurz und Strache auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen über die Entwicklung der Koalitionsgespräche informiert haben.
Als möglicher Angelobungstermin kursiert derzeit der Zeitraum zwischen 12. und 18. Dezember. Zuletzt ging es vor allem um Budget- und Steuerfragen. Auch der Ausbau der direkten Demokratie, die Rücknahme des Rauchverbots in der Gastronomie, etwaige Reformen bei der Kammern-Pflichtmitgliedschaft und eine Zusammenlegung der Krankenkassen standen auf der Agenda. Zudem machte eine Ministerliste die Runde. Die sei falsch, betonte Hofer. "Wir haben noch keine Minister fixiert." Ähnlich Blümel: "Was jedenfalls stimmt: dass Sebastian Kurz Bundeskanzler wird." (red, APA, 6.12.2017)