Die EU-Außenminister treffen ihren US-Kollegen Rex Tillerson. Beide Seiten mühen sich, das Verbindende in ihren Beziehungen zu betonen - es fällt ihnen sichtlich schwer. Hinter der Fassade aus Nettigkeiten brodelt Streit, etwa über das Atomabkommen mit Iran.
Vielleicht hat Sigmar Gabriel das Gefühl, an diesem Vormittag schon alles gesagt zu haben. Er fasst sich kurz: Das gleich beginnende Treffen der EU-Außenminister mit ihrem US-Kollegen Rex Tillerson diene dazu, "alles dafür zu tun, dass wir uns nicht zu sehr auseinanderentwickeln". Man brauche einander, sagt Gabriel - "trotz aller Irritationen, die es in letzter Zeit gegeben hat".
Vor seinem Abflug nach Brüssel hatte der geschäftsführende Außenminister eine Grundsatzrede bei der Körber-Stiftung gehalten, in der er auf mehr als nur "Irritationen" verwiesen hatte: "Im Umfeld" der US-Regierung gebe es "eine außerordentlich distanzierte Wahrnehmung Europas als Wettbewerber und manchmal sogar als mindestens ökonomische Gegner". Die EU, forderte Gabriel, müsse Antworten finden.
Der Abstand zwischen Theorie und Praxis ist also kurz an diesem Dienstag, zumindest zeitlich. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat die Minister zu einem Sondertreffen geladen mit Tillerson, der eigentlich zur Nato nach Brüssel gekommen ist. Es sei "eine Freude, Freunde willkommen zu heißen und zusammenzuarbeiten", begrüßt sie den Amerikaner. Das Treffen bestätige die "große Bedeutung", die EU und USA "ihrer engen Partnerschaft und Kooperation beimessen".
Besonders klar treten die Differenzen beim Thema Iran zutage
Nach bald einem Jahr der Präsidentschaft des Rechtspopulisten Donald Trump sind die Gräben tief zwischen den USA und Europa, aber noch nicht so breit, dass nicht ein paar nette Floskeln hinüberführen würden. Das Treffen biete die "Gelegenheit, das Bekenntnis zur Zusammenarbeit in einer Reihe von Bereichen zu erneuern", sagt Mogherini, was Tillerson wenig später fast wortgleich wiederholt. "Die Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union reicht, wie jedermann weiß, lange zurück", fügt er hinzu. Er zählt "gemeinsame Werten und gemeinsame Ziele" wie Sicherheit und Wohlstand auf. Die Europäer freut, das zu hören. Lieber freilich wüssten sie, wie lange Tillerson noch im Amt sein wird. Kein Besucher aus Washington, schon gar nicht Tillerson, ist in der Lage, die Unsicherheit zu vertreiben, die Trump schürt.
Es ist dann mit den Nettigkeiten auch schnell vorbei. Die Europäer sind extrem beunruhigt von der Aussicht, dass die Trump-Regierung Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennt. "Öl aufs Feuer" des Nahost-Konfliktes nennt das der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Die EU trete ein für die Wiederaufnahme eines echten Friedensprozesses mit dem Ziel einer Zweistaatenlösung, stellt Mogherini klar. "Jede Handlung, die diese Bemühungen untergräbt, muss absolut verhindert werden", verlangt sie.
Es ist dieser fast schon dramatische Appell, der jedenfalls mehr aussagt über den Zustand der Beziehungen, als die pflichtschuldige Beschwörung gemeinsamer Werte. In Tillerson, der Trump einen Deppen genannt haben soll, sehen die Europäer immerhin einen jener Männer, die in Washington das Schlimmste zu verhüten versuchen. Etliche Minister werben in der Sitzung für eben jenen Multilateralismus, den Trump so offenkundig verachtet. In seiner Antwort riskiert Tillerson nicht den Hauch einer Illoyalität. Er versucht, die Sorgen zu zerstreuen, ohne sich von seinem Präsidenten zu distanzieren. Das ist ein mühsames Geschäft. Auch nach der Kündigung des Pariser Abkommens, verspricht Tillerson etwa, blieben die Amerikaner dem Klimaschutz verpflichtet.
Besonders klar treten die Differenzen beim Thema Iran zutage. Der Erhalt des Atomabkommens sei von "strategischer Priorität für die europäische Sicherheit", stellt Federica Mogherini klar. Tillerson führt die bekannten Klagen der USA an. Er spricht von der Bedrohung durch ballistische Raketen, der Rolle Irans im jemenitischen Bürgerkrieg, von den Waffenexporte nach Syrien und der Unterstützung für die Hisbollah. "Diese Aktivitäten können nicht unbeantwortet bleiben", sagt Tillerson. Dem stimmen die Europäer zwar zu, eine Vermischung mit dem Atom-Abkommen aber lehnen sie strikt ab. "Ein Abkommen abzuschaffen, das funktioniert, wie die Internationale Atomenergie-Behörde neun Mal bestätigt hat, würde uns nicht in bessere Position bringen, die anderen Fragen zu klären", mahnt Mogherini. Und sie macht ein Angebot, das sie mit einer recht unverhohlenen Drohung verbindet: "Die EU ist bereit, eng mit den USA bei diesen Themen zusammenzuarbeiten - auf der Grundlage der fortgesetzten Umsetzung des Abkommens durch die USA." Als der Tross weiterzieht zur Nato, wo ebenfalls ein Ministertreffen abgehalten wird, haben die Europäer eher nicht das Gefühl, belastbare Zusagen gehört zu haben.
Bei der Nato beschließen die Minister dann, die Zusammenarbeit der Allianz mit der EU weiter zu verstärken. Vereinbart werden 32 Projekte. Von einem "neuen Niveau" schwärmt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, das etwa Truppenbewegungen in Europa vereinfachen soll. Die USA seien "erfreut" über die vertiefte Zusammenarbeit, sagt Tillerson. Der gemeinsamen Sicherheit sei am besten gedient, "wenn alle ihren Teil der Lasten tragen". Dass da vor allem Deutschland gemeint ist, muss er nicht eigens betonen.