Mo, 04. Dezember 2017
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Direkte Demokratie

04.12.2017 08:13

Darf wirklich über alles abgestimmt werden?

Hinter verschlossenen Türen debattieren aktuell ÖVP und FPÖ über den Themenkomplex Direkte Demokratie: Sollen wir Österreicher künftig wesentlich mehr selbst entscheiden? Darf dann wirklich über alles abgestimmt werden? Sind Sicherheitsmaßnahmen nötig? Die "Krone" und zwei Abgeordnete der ÖVP und der FPÖ suchten in der Schweiz nach Antworten.

Knapp 20% Höchststeuersatz im Kanton Zug, 7700 € Durchschnitts-Bruttoeinkommen in Zürich, und die Abgeordneten des Nationalrats erhalten lediglich ein Taggeld und kein Monatssalär - aber nicht allein aufgrund dieser Unterschiede zu unserem Heimatland kann die Schweiz Vorbild für Österreich sein: Die "Krone" hörte sich bei einer Studienreise mit den zwei Abgeordneten Reinhold Lopatka (ÖVP) und Reinhard Eugen Bösch (FPÖ) über die Vor- und Nachteile der Direkten Demokratie um. Das System ist auch in den aktuellen Koalitionsverhandlungen ein großes Thema: Die FPÖ will mehr, die ÖVP etwas weniger diese Variante der direkten Mitbestimmung der Bürger praktizieren.

"Die Schweiz muss man sich mehr von unten nach oben denken", erklärt dazu Regierungsrat Benedikt Würth in Bern. Und tatsächlich haben die Schweizer ihr System lang erprobt: Seit 1848 wurden 445 Volksinitiativen gestartet, 209 kamen zur Abstimmung.

Die Direkte Demokratie sei unumstritten, sagt Corsin Biaz vom Zentrum für Demokratie in Aarau. Theoretisch dürfe alles abgefragt werden, auch Tabuthemen wie die Todesstrafe: "Wenn man alles darf, muss man mehr verteidigen." Ein Abstimmen für Fortgeschrittene.

Brisante Konflikte und eine Hornkuh-Initiative
Die Nachteile werden aber keinesfalls verschwiegen: Es kann zu "Abstimmungsfehlern" kommen: Das Ja bei der Ausschaffungs-Abstimmung kann etwa gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen. Dann müsse sich aber der Nationalrat eine Lösung einfallen lassen - eine derartige Verwässerung der Abstimmungsergebnisse sei aber nicht selten, hört man im Bundeshaus in Bern.

Weitere nicht ganz so erwünschte Nebeneffekte der Direkten Demokratie: Jede dritte Initiative für ein Referendum kommt von einer Partei, ab und zu sind die Themen nicht ganz so emotionalisierend (wie die Hornkuh-Initiative, damit Rinder ihre Hörner behalten dürfen). Und die Abstimmungen samt nötiger Vorinformation sind teuer.

Dafür überaus positiv: Blockaden der Parteien werden durchbrochen. Und das Volk hat schon öfter ganz anders entschieden, als die Politiker erwartet hätten.

Richard Schmitt, Bern

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04.12.2017 08:13

Darf wirklich über alles abgestimmt werden?

Hinter verschlossenen Türen debattieren aktuell ÖVP und FPÖ über den Themenkomplex Direkte Demokratie: Sollen wir Österreicher künftig wesentlich mehr selbst entscheiden? Darf dann wirklich über alles abgestimmt werden? Sind Sicherheitsmaßnahmen nötig? Die "Krone" und zwei Abgeordnete der ÖVP und der FPÖ suchten in der Schweiz nach Antworten.

Knapp 20% Höchststeuersatz im Kanton Zug, 7700 € Durchschnitts-Bruttoeinkommen in Zürich, und die Abgeordneten des Nationalrats erhalten lediglich ein Taggeld und kein Monatssalär - aber nicht allein aufgrund dieser Unterschiede zu unserem Heimatland kann die Schweiz Vorbild für Österreich sein: Die "Krone" hörte sich bei einer Studienreise mit den zwei Abgeordneten Reinhold Lopatka (ÖVP) und Reinhard Eugen Bösch (FPÖ) über die Vor- und Nachteile der Direkten Demokratie um. Das System ist auch in den aktuellen Koalitionsverhandlungen ein großes Thema: Die FPÖ will mehr, die ÖVP etwas weniger diese Variante der direkten Mitbestimmung der Bürger praktizieren.

"Die Schweiz muss man sich mehr von unten nach oben denken", erklärt dazu Regierungsrat Benedikt Würth in Bern. Und tatsächlich haben die Schweizer ihr System lang erprobt: Seit 1848 wurden 445 Volksinitiativen gestartet, 209 kamen zur Abstimmung.

Die Direkte Demokratie sei unumstritten, sagt Corsin Biaz vom Zentrum für Demokratie in Aarau. Theoretisch dürfe alles abgefragt werden, auch Tabuthemen wie die Todesstrafe: "Wenn man alles darf, muss man mehr verteidigen." Ein Abstimmen für Fortgeschrittene.

Brisante Konflikte und eine Hornkuh-Initiative
Die Nachteile werden aber keinesfalls verschwiegen: Es kann zu "Abstimmungsfehlern" kommen: Das Ja bei der Ausschaffungs-Abstimmung kann etwa gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen. Dann müsse sich aber der Nationalrat eine Lösung einfallen lassen - eine derartige Verwässerung der Abstimmungsergebnisse sei aber nicht selten, hört man im Bundeshaus in Bern.

Weitere nicht ganz so erwünschte Nebeneffekte der Direkten Demokratie: Jede dritte Initiative für ein Referendum kommt von einer Partei, ab und zu sind die Themen nicht ganz so emotionalisierend (wie die Hornkuh-Initiative, damit Rinder ihre Hörner behalten dürfen). Und die Abstimmungen samt nötiger Vorinformation sind teuer.

Dafür überaus positiv: Blockaden der Parteien werden durchbrochen. Und das Volk hat schon öfter ganz anders entschieden, als die Politiker erwartet hätten.

Richard Schmitt, Bern

Hinter verschlossenen Türen debattieren aktuell ÖVP und FPÖ über den Themenkomplex Direkte Demokratie: Sollen wir Österreicher künftig wesentlich mehr selbst entscheiden? Darf dann wirklich über alles abgestimmt werden? Sind Sicherheitsmaßnahmen nötig? Die "Krone" und zwei Abgeordnete der ÖVP und der FPÖ suchten in der Schweiz nach Antworten.

Knapp 20% Höchststeuersatz im Kanton Zug, 7700 € Durchschnitts-Bruttoeinkommen in Zürich, und die Abgeordneten des Nationalrats erhalten lediglich ein Taggeld und kein Monatssalär - aber nicht allein aufgrund dieser Unterschiede zu unserem Heimatland kann die Schweiz Vorbild für Österreich sein: Die "Krone" hörte sich bei einer Studienreise mit den zwei Abgeordneten Reinhold Lopatka (ÖVP) und Reinhard Eugen Bösch (FPÖ) über die Vor- und Nachteile der Direkten Demokratie um. Das System ist auch in den aktuellen Koalitionsverhandlungen ein großes Thema: Die FPÖ will mehr, die ÖVP etwas weniger diese Variante der direkten Mitbestimmung der Bürger praktizieren.

"Die Schweiz muss man sich mehr von unten nach oben denken", erklärt dazu Regierungsrat Benedikt Würth in Bern. Und tatsächlich haben die Schweizer ihr System lang erprobt: Seit 1848 wurden 445 Volksinitiativen gestartet, 209 kamen zur Abstimmung.

Die Direkte Demokratie sei unumstritten, sagt Corsin Biaz vom Zentrum für Demokratie in Aarau. Theoretisch dürfe alles abgefragt werden, auch Tabuthemen wie die Todesstrafe: "Wenn man alles darf, muss man mehr verteidigen." Ein Abstimmen für Fortgeschrittene.

Brisante Konflikte und eine Hornkuh-Initiative
Die Nachteile werden aber keinesfalls verschwiegen: Es kann zu "Abstimmungsfehlern" kommen: Das Ja bei der Ausschaffungs-Abstimmung kann etwa gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen. Dann müsse sich aber der Nationalrat eine Lösung einfallen lassen - eine derartige Verwässerung der Abstimmungsergebnisse sei aber nicht selten, hört man im Bundeshaus in Bern.

Weitere nicht ganz so erwünschte Nebeneffekte der Direkten Demokratie: Jede dritte Initiative für ein Referendum kommt von einer Partei, ab und zu sind die Themen nicht ganz so emotionalisierend (wie die Hornkuh-Initiative, damit Rinder ihre Hörner behalten dürfen). Und die Abstimmungen samt nötiger Vorinformation sind teuer.

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