Kurzkritik Pfeift auf die Arie

Rolando Villazón und Ildar Abdrazakov im Gasteig

Von Jutta Czeguhn

Ein ohrenerschütterndes Pfeifkonzert in der Philharmonie. Breitbeinig, mit satanischem Grinsen steht Ildar Abdrazakov auf der Bühne, hat der russische Bass das Inferno doch selbst angezettelt, als er nach der Pfiff-Arie "Son lo spirito, che nega" aus Boitos "Mefistofele" das Publikum gebieterisch zum Mitpfeifen aufforderte. In diesem Moment entlud sich auf den Rängen etwas von der bangen Anspannung, die Abdrazakovs Bühnenpartner geschuldet war, Rolando Villazón. Würde seine Stimme den Abend überstehen?

Einlagezettel im Programmheft verheißen selten Gutes, und so war man gewarnt. Villazón hatte eine Faust-Arie kurzfristig gestrichen und durch eine leichte Verdi-Romanze ersetzt. Überhaupt konnte irritiert sein, wer sich mehr aus dem aktuellen Album "Duets" der Sänger erwartet hatte. Gerade mal vier Nummern gab es daraus zu hören. Bass und Tenor boten stattdessen, begleitet von der Janáček Philharmonie Ostrava unter Guerassim Voronkov, einen Gemischtwarenladen. Rachmaninow und "Over the Rainbow" in einem Programm, das muss man sich erst mal trauen.

Es waren diese charmante Chuzpe und die clownesken Einlagen mit klemmenden Türen und zerrupften Blumensträußen, die dem Abend eine zirkushafte Leichtigkeit verliehen und das Publikum zu Ovationen hinrissen. Mit Sympathie hörte man darüber hinweg, wie Villazón, dieser verschwenderische Seelen-Sänger, mit seiner Stimme kämpft. Nur selten noch hat sie den alten, warmen Glanz, wirkt meist fahl, flackrig und ist nur mit heroischer Anstrengung in die Höhe zu treiben.

Anders Abdrazakovs eleganter, ebenmäßiger Bass, ein Sänger mit dramatischer, sinnlicher Bühnenpräsenz, wie man sie unlängst im Pariser "Don Carlos" erleben konnte, wo sein Philipp II. mehr Seelentiefe hatte als Jonas Kaufmanns suizidaler Infant. Auf dem Wunschzettel zu Weihnachten: Ildar Abdrazakov, bitte bald mal wieder an der Staatsoper!