358 000 Asylbescheide Der Antragsberg wird langsam kleiner

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beschäftigt derzeit 7600 Mitarbeiter.

(Foto: picture alliance / Silas Stein/d)
Von Bernd Kastner

Deutschland ist spitze in Europa. Das gilt für manche Disziplinen, für die Wirtschaftskraft etwa, aber auch für Asyl-Statistiken. Etwa 358 000 Entscheidungen über Asylanträge wurden im ersten Halbjahr 2017 in Deutschland getroffen, viel mehr als in allen anderen 27 EU-Staaten zusammen. Dort waren es lediglich gut 215 000. Die Daten stammen von der europäischen Statistikbehörde Eurostat, zunächst hatte die Welt darüber berichtet. Was bedeuten diese Zahlen, die Futter für Rechtsextreme sein könnten? Sind all die Gesetze und Regeln aus Berlin, die den Flüchtlingsschutz restriktiver gestalten sollen, wirkungslos?

Keineswegs. Diese hohen Zahlen waren vielmehr vorherzusehen und sogar politisch gewollt. Blickt man ein wenig hinter die Gitterlinien der Tabellen, ist die Differenz zwischen Deutschland und dem übrigen Kontinent zu erklären und derzeit gar nicht mehr so groß.

Zunächst: Die 358 000 Asylentscheidungen im ersten Halbjahr in Deutschland (bis Ende Oktober waren es laut Eurostat fast 450 000) bedeuten nicht, dass in diesem Zeitraum auch so viele Flüchtlinge neu eingereist sind. Die Zahl der Neuankommenden liegt seit Frühjahr 2016 weitgehend konstant bei etwa 15 000, hochgerechnet aufs Jahr würde die von der CSU geforderte Obergrenze von 200 000 nicht überschritten. Seit eineinhalb Jahren ist die Balkanroute weitgehend dicht und der EU-Türkei-Pakt in Kraft, der viele Syrer zurückhält; das erklärt die konstante Zahl.

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Ein Berg von rund 580 000 offenen Verfahren

Die hohe Entscheidungszahl im ersten Halbjahr 2017 hat zwei Gründe: den Verfahrens-Stau und eine neue Effizienz. In der Hochphase, von Sommer 2015 bis Frühjahr 2016, erreichten täglich bis zu 10 000 Flüchtlinge Deutschland. Das Asyl-Bundesamt (Bamf) stand kurz vor dem Kollaps. Es kam kaum hinterher, die Neuen zu registrieren, geschweige denn sie zu ihren Fluchtgründen zu befragen oder gar zu entscheiden, ob sie bleiben dürfen.

Die Folge war, dass sich bis Herbst 2016 ein Berg von rund 580 000 offenen Verfahren türmte. Oberstes Ziel der Bundesregierung und des Bamf war es, den Berg abzubauen, nicht nach und nach, sondern schnell, sehr schnell. Von 2000 wurde die Mitarbeiterzahl auf derzeit 7600 aufgestockt. Das hat gewirkt, derzeit sind gerade noch um die 80 000 Verfahren offen. Bis Jahresende sollen alle Fälle, die 2016 oder früher eingingen, abgearbeitet sein. Anschließend werden die deutschen Entscheidungszahlen deutlich zurückgehen, vermutlich liegen sie dann bei 40 000 bis 50 000 pro Quartal. Derzeit braucht das Bamf gut zwei Monate, um neue Anträge zu bearbeiten.