Türkische Flüchtlinge Abgelehnte Asylgesuche wegen veralteter Textbausteine

Verfolgung, Folter, Pfefferspray: Seit dem Putschversuch im Juli 2016 gehen türkische Behörden immer wieder mit Gewalt gegen Demonstranten und Oppositionelle vor. Viele der Betroffenen suchen Schutz in Deutschland.

(Foto: imago)
Von Bernd Kastner

Qualitätssicherung. Der Begriff gehört zu den Lieblingsworten von Jutta Cordt, der Präsidentin des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration (Bamf). Sie betont gerne, welche Mechanismen ihr Haus installiert habe, um Flüchtlingen strenge, aber korrekte und faire Verfahren zu gewährleisten. Allein, mit der Qualität hat das Bamf nach wie vor Probleme, und das auf einem der heikelsten politischen Felder: dem Umgang mit der Türkei.

Die Defizite gibt es zum Nachlesen in Asylbescheiden für türkische Flüchtlinge, genauer: für Anhänger der Gülen-Bewegung. Diese wird von der türkischen Regierung für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich gemacht, seither sind Gülen-Sympathisanten starker Repression ausgesetzt; Tausende wurden entlassen oder gar eingesperrt.

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Der Süddeutschen Zeitung liegen mehr als ein Dutzend Bamf-Bescheide aus den vergangenen Monaten vor, in denen Asylgesuche nach Deutschland geflohener Gülen-Anhänger abgelehnt werden. Die Entscheidungen basieren unter anderem auf Textbausteinen, die falsch sind. Dies räumt das Bamf selbst ein.

Zahl türkischer Asylbewerber ist stark gestiegen

Bei der Prüfung eines Antrags auf Flüchtlingsschutz geht es immer auch um die Frage, ob einem Rückkehrer aus Deutschland Folter, Misshandlung oder eine andere menschenrechtswidrige Behandlung durch türkische Behörden drohe. Bei zahlreichen Gülen-Anhängern verneint dies das Bamf mit dem Hinweis auf die angeblich menschenrechtlichen Standards in der Türkei.

Ankara habe, so das Bamf, "alle gesetzgeberischen und administrativen Mittel eingesetzt, um Folter und Misshandlungen im Rahmen ihrer 'Null-Toleranz-Politik' zu unterbinden". Weil die Türkei Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention sei, könne davon ausgegangen werden, dass sie Folter und Misshandlung von Rückkehrern aus der EU "bereits deshalb unterbinden wird, um den nach wie vor angestrebten Beitritt zur Europäischen Union nicht zu gefährden", so das Bamf.

Fälle von Folter oder Misshandlung würden bekannt werden: "Damit wäre eine umfangreiche negative Publizität verbunden, die eine erhebliche Belastung des EU-Beitrittsprozesses zur Folge haben würde." Es könne davon ausgegangen werden, dass die Türkei "schon aus politischen Motiven", um den EU-Beitritt nicht zu gefährden, "alles Erforderliche tun" werde, um Folter und Misshandlung von Rückkehrern "zu unterbinden". Dieser Textbaustein findet sich wortgleich in zahlreichen Asylbescheiden.

Seit dem Putschversuch im Juli 2016 ist die Zahl der türkischen Asylbewerber in Deutschland stark gestiegen. Im Oktober lag die Türkei bereits auf Platz drei in der Top-Ten-Liste der Herkunftsstaaten. Allein im Oktober stellten mehr als 1000 Türken einen Asylantrag, in den ersten zehn Monaten 2017 bisher 6850; die Schutzquote liegt bei rund 25 Prozent.