Sie vergiften Marmeladengläser, sägen Bahnschienen entzwei oder drohen mit Bomben: Immer wieder versuchen Gangster an Millionen zu kommen, indem sie große Unternehmen erpressen. Die spektakulärsten Fälle.
Wenn Unternehmen Ziel von Erpressern werden, dringt das oft nicht an die Öffentlichkeit. Firmen befürchten, Nachahmer könnten ermutigt werden, wenn die geforderte Summe tatsächlich bezahlt wird. Obwohl die Aufklärungsquote bei solchen Verbrechen sehr hoch ist, haben Gangster immer wieder versucht, mit Erpressungen an das große Geld zu kommen. Ein Überblick über die Fälle, die besonders viel Aufmerksamkeit bekamen.
Bahnerpresser Monsieur X: 1975 bis 1977
Er löste Befestigungsschrauben für Schienen, manipulierte Oberleitungen und verbog Gleise: Zugpassagiere auf der Rheintalstrecke zwischen Karlsruhe und Basel hatten monatelang ein mulmiges Gefühl, weil ein Verbrecher damit drohte, Züge entgleisen zu lassen, wenn die damalige Bundesbahn seinen Forderungen nicht nachgeben und 250 000 Mark zahlen würde.
Zunächst begann der Täter mit Sabotageakten und richtete hohen Sachschaden an. Doch dann steigerte er seine kriminelle Energie und führte im Oktober 1977 das Unglück des Italia-Express herbei. 19 Menschen wurden verletzt, nur durch Zufall niemand getötet. Seinen Namen trug der Täter deshalb, weil er seine an die Bahn gerichteten Erpresserbriefe stets mit der Formel: "Herzliche Grüße von Monsieur X" beendete.
Nach einem Hinweis in der TV-Sendung Aktenzeichen xy ungelöst nahm die Polizei im Februar 1978 schließlich einen Aquarienhändler aus Freiburg als Verdächtigen fest. Er wurde in einem Indizienprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Zeugen für seine Taten gab es nicht, Gutachter erkannten aber frappierende Ähnlichkeiten zwischen der Sprache des Angeklagten und den Telefonanrufen, die der Erpresser nach den Taten getätigt hatte. 1993 gelang ihm - etwa zwei Jahre vor dem Ende seiner Haftstrafe - die Flucht aus dem Gefängnis, er stellte sich jedoch nach einiger Zeit wieder und saß den Rest ab. 2015 starb Monsieur X.
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Herbert, der Säger: 1990 bis 1992
Anfang der neunziger Jahre beschäftigte ein weiterer Bahnerpresser die Polizei, diesmal in Norddeutschland. Er trennte große Stücke aus Bahngleisen, selbst aus ICE-Strecken, und forderte mehrere Millionen Mark. Außerdem ließ er ein Schließfach in einem Hauptbahnhof explodieren.
Doch "Herbert, der Säger" ging geschickter vor als Jahre zuvor Monsieur X. Er meldete sich nie per Telefon, um nicht mittels einer Fangschaltung aufgespürt werden zu können. Mit Hilfe komplizierter Botschaften schickte er den Geldboten auf eine Reihe von Zugfahrten durch ganz Norddeutschland. Irgendwo auf der Strecke würde er ein Signal geben und dann sei das Paket mit den Scheinen abzuwerfen. Doch die Geldübergabe scheiterte mehrfach. In einem Fall besonders spektakulär, weil andere Fahrgäste fälscherweise glauben, der Geldbote wolle Suizid begehen und sich aus dem Zug stürzen. Sie zerrten ihn zurück, dabei riss die Geldtasche entzwei und die Scheine wurden vom Fahrtwind in die schwarze Nacht geblasen. Herbert, der Säger wurde nie gefasst.
Kaufhaus-Erpresser Dagobert: 1992 bis 1994
Er gilt als einer der intelligentesten Verbrecher, die es in Deutschland je gab. Die Polizei war vor allem von seinen enormen technischen Fähigkeiten und der Fantasie bei der Organisation der Geldübergaben verblüfft. Dagobert, wie sich der Erpresser nannte, bastelte Geldübergabe-Taschen, die mit riesigen Magneten an Zugwaggons gepresst werden konnte, er konstruierte eigens ein Mini-Schienenfahrzeug, das seine Beute abtransportieren sollte oder präparierte eine Streusandkiste so, dass er durch einen unterirdischen Gang auf die darin abgelegte Tasche zugreifen konnte. Er forderte 1,4 Millionen Mark vom Kaufhaus-Unternehmen Karstadt und zündete in mehreren Filialen, meist außerhalb der Öffnungszeiten, selbstgebastelte Bomben.
"Dagobert grüßt seine Neffen", das waren die Codewörter, mit denen das Unternehmen in einer Zeitungsanzeige seine Zahlungsbereitschaft kundtun sollte. Ermutigt wurde der Täter durch eine geglückte Erpressung im Jahr 1988, von deren Erlös er eine Weile lebte. Doch bei seinem zweiten Versuch hatte er kein Glück. Entweder bekam er nur Papierschnipsel in die Hände, weil die Polizei kein echtes Geld übergeben wollte, oder er ergriff vorzeitig die Flucht, aus Angst, enttarnt zu werden. Schließlich wurde er Anfang 1994 in einer Berliner Telefonzelle festgenommen. Dagobert war ein arbeitsloser, zeitweise schwer depressiver Lackierer. Er wurde in zweiter Instanz zu neun Jahren Haft verurteilt, von denen er sechs absaß. Heute arbeitet der frühere Dagobert als Karikaturist und Autor. Er ist, wie er jetzt der Nachrichtenagentur dpa sagte, allerdings genervt, dass sein Name bei neuerlichen Verbrechen wie jetzt in Potsdam immer wieder genannt wird.