Banken München gehen die Schließfächer aus

Manchmal müssen auch Schließfächer aufgebrochen werden. Daraus entstehen Mythen über Waffen, tote Kanarienvögel und Unterwäsche.

(Foto: Stephan Rumpf)

In der Zentrale der Stadtsparkasse gibt es 5000 Safes - und keiner ist frei. Das hat aber nicht nur mit den niedrigen Zinsen und der Angst vor Einbrechern zu tun.

Von Pia Ratzesberger

Sie darf so manches nicht erzählen. Wie sie am Morgen aufsperrt zum Beispiel. Am Abend zusperrt. Wo die Kameras überwachen und auch nicht, wie die Alarmanlage funktioniert. Sie darf so manches nicht erzählen, der Sicherheit wegen. Denn darum geht es ja den Menschen, die zu ihr kommen. Um die Sicherheit.

Ramona Sorge, 43, geht die Treppe hinunter, der Raum ist schon offen. Die Wände mit Holz vertäfelt. Links die Séparées, rechts die Tür aus Beton. 40 Zentimeter dick. Und wüsste man nicht, dass man gerade in der Münchner Innenstadt steht, könnte das auch die Kulisse eines Agentenfilms sein. Man steht aber im Keller der Stadtsparkasse, der ist so stark gesichert wie kein anderer Raum in der Zentrale der Bank. Der Raum mit den 5000 Safes. Alle sind belegt, eine Warteliste führt Ramona Sorge erst gar nicht. "Was bringt es den Leuten, wenn ich sage: Sie sind die Nummer 2843. Sie können also in acht Jahren ein Fach haben?"

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Es ist schon ein paar Monate her, da war in der Stadt plötzlich überall von den Schließfächern zu hören. Von den fehlenden Schließfächern. Nicht nur die Stadtsparkasse vermeldete eine größere Nachfrage, auch die Hypovereinsbank, die Commerzbank. Immer mehr Menschen wollten Schließfächer mieten, hieß es auch beim Bayerischen Bankenverband, die Wartelisten in manchen Orten seien lang.

Die Stadtsparkasse hat in ihren 77 Filialen heute 25 660 Schließfächer, nicht einmal drei Prozent sind noch frei, und die Bank hat jetzt als erste in der Stadt angekündigt, noch mehr Schließfächer zu bauen - wie viele, will man noch nicht sagen, nur dass es eine "nennenswerte Zahl" sei. Die Frage ist nur: Warum mieten überhaupt so viele Münchner ein Schließfach an?

Um das zu erfahren, geht man also in den Keller mit Ramona Sorge, die jeden Tag vor den wuchtigen Regalen steht, in dem vor ihr befinden sich 23 schmale Fächer. Das Standard-Schließfach, mindestens fünf Zentimeter hoch, kostet 70 Euro im Jahr. "Früher haben wir Safes noch an Kunden anderer Banken gegeben, das geht heute nicht mehr." Es sind ja manchmal schon für die eigenen Kunden zu wenige da. Gerade nimmt eine ältere Dame ihre Blechbox aus dem Fach, trägt sie nach hinten in das Séparée. Türe zu.

Der Job von Ramona Sorge ist es, die Menschen in diesen Raum zu lassen und ihnen beim Öffnen zu helfen, jedes Fach braucht zwei Schlüssel, den eigenen und einen zweiten von der Bank. Was die Menschen in ihren grauen Blechkassetten lagern, erfährt Ramona Sorge aber nur, wenn sie es ihr erzählen, wenn sie oben bei ihr am Schalter stehen und sagen: "Wir haben geheiratet und wollen das geschenkte Gold jetzt einlagern." Das Bargeld. Das Testament. Die Hausschlüssel.

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Vor vier Jahren kam Ramona Sorge zu den Schließfächern, da war sie schon mehr als zehn Jahre bei der Bank und dachte erst: "Wie langweilig." Dann merkte sie: "Ich bekomme das ganze Leben mit." Zu ihr kommt die geschiedene Ehefrau, die dem Mann die Vollmacht entziehen will. Der Sohn, dessen Vater gestorben ist und der das Fach auflöst. Mit ihren 5000 Schließfächern bekommt Ramona Sorge immer auch mit, wie es den Menschen geht. Sie sagt: Die Menschen haben heute mehr Angst.