Von Januar an können Arbeitnehmer Einblick in die Gehälter der Kollegen verlangen. Das neue Gesetz zur Lohngleichheit verspricht jedoch mehr als es hält.
Markulf Behrendt kennt sich in der deutschen Unternehmenslandschaft aus. Als Arbeitsrechtler der internationalen Kanzlei Allen & Overy berät er Firmen aller Größen in Personalfragen. Der 43-Jährige weiß deshalb auch, dass sich eine bestimmte Art von Unternehmen rasch auf das Entgelttransparenzgesetz vorbereiten muss.
Dieses Gesetz verbietet eine ungleiche Bezahlung aufgrund des Geschlechts. Die Existenz des sogenannten Gender Pay Gaps, also die Entgeltlücke in der Bezahlung von Männern und Frauen, bestreitet kaum ein Experte. Die unbereinigte Quote, die Ausbildung, Berufserfahrung oder Position unberücksichtigt lässt, lag 2016 dem Statistischen Bundesamt zufolge bei 21 Prozent. Die bereinigte Quote betrug 2014 - der Wert wird nur alle vier Jahre erhoben - bei sechs Prozent.
Das Entgelttransparenzgesetz, seit Juli dieses Jahres in Kraft, hat ein hehres Ziel. Es will erreichen, dass Männer und Frauen für vergleichbare Arbeit den gleichen Lohn erhalten. Es soll mehr Transparenz über betriebliche Gehaltsstrukturen und die Maßstäbe der Arbeitsbewertung schaffen, um Diskriminierung zu beseitigen. Um sich darauf vorzubereiten, hatten die Unternehmen ein halbes Jahr Zeit - bis zum 6. Januar 2018. Von diesem Tag an hat jeder Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern einen individuellen Auskunftsanspruch.
Warum steigen die Löhne in Deutschland nicht stärker?
Das gilt auch für jenen inhabergeführten Konzern, der dem Arbeitsrechtler Behrendt sofort in den Sinn kommt. Das Unternehmen, das der Jurist nicht beim Namen nennen darf, unterliegt keiner Tarifbindung. Ein Großteil der Gehälter ist individuell verhandelt worden und unterscheidet sich deshalb auch stark, sogar bei ähnlichen Jobs. "Unternehmen wie dieses scheitern schon daran, eine Vergleichsgruppe zu bilden, weil die Vergütung - speziell bei Führungskräften - ganz persönlich ohne irgendwelche Vergleichstabellen verhandelt wurde."
Behrendt kann sich gut vorstellen, dass besonders weibliche Führungskräfte wie etwa eine Abteilungsleiterin gerne ihr Gehalt verglichen haben möchten. Und spätestens hier fangen nach Meinung vieler Juristen die Probleme des Gesetzes an. Denn zum Vergleich müssen sechs andere Abteilungsleiter gefunden werden, die in etwa die gleiche Tätigkeit ausüben.
"Dies kann selbst bei großen Unternehmen zum Beispiel bei der Position 'Abteilungsleiter in der Rechtsabteilung' schwierig sein", sagt Florian Harder, Partner bei der Wirtschaftskanzlei Linklaters. "Die Beweisführung ist aus Sicht des Arbeitnehmers also alles andere als einfach." Hinzu kommt: "Je komplexer Positionen und das Aufgabengebiet sind, desto schneller kann eine Gleichartigkeit mit anderen Positionen verneint werden."